Der Kölner Telekommunikationsdienstleister Unitymedia darf auf dem zur Verfügung gestellten Router ein zweites WLAN-Signal aktivieren, um so einen separaten Wifi-Hotspot aufzuschalten, über den ein für Dritte zugängliches WLAN-Netz aufgebaut wird. Es muss jedoch gesichert sein, dass die Aktivierung weder den Internet-Zugang des Kunden beeinträchtigt noch andere Nachteile für den Kunden entstehen. Das hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe entschieden (Urteil vom 25. April 2019 – Az.: I ZR 23/18). Mit dieser Entscheidung bestätigen die BGH Richter ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln (Urteil vom 2. Februar 2018 – Az. 6 U 85/17), das zuvor ein Urteil des Landgerichts Köln revidiert hatte (Urteil vom 9. Mai 2019 – Az.: 31 O 227/16). Die Verbraucherzentrale NRW mit Hauptsitz in Düsseldorf sah in der Vorgehensweise von Unitymedia eine unzumutbare Belästigung und eine aggressive Geschäftspraktik. Sie reichte daher nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Klage gegen Unitymedia ein.
Die Gründe für die BGH-Entscheidung:
Die BGH-Richter erläutern in der Presse-Information Nr. 55/2019 vom 25. April 2019 ihre Entscheidung: „Die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals stellt keine Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG dar. Die geschuldete Vertragsleistung – Zugang zum Internet – wird durch das zweite WLAN-Signal nicht beeinträchtigt. Ein ausschließliches Nutzungsrecht der im Eigentum der Beklagten stehenden Router durch die Kunden, das einer Nutzung der Router auch durch die Beklagte entgegenstehen könnte, sehen die Verträge über Internetzugangsleistungen nicht vor. Der ungestörte Gebrauch des Routers durch die Kunden wird weder durch die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals noch durch dessen Betrieb beeinträchtigt.
In der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals liegt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine aufgedrängte Dienstleistung. Die Beklagte eröffnet ihren Kunden mit der Aktivierung eines zweiten WLAN-Signals auf deren Routern zwar die Möglichkeit, die Leistungen der Beklagten auch über die Wifi-Spots anderer Kunden zu nutzen. Die Klägerin möchte der Beklagten aber nicht das Angebot dieser zusätzlichen Leistung, sondern allein die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals verbieten lassen. In der Aktivierung dieses Signals liegt für sich genommen keine Dienstleistung der Beklagten gegenüber dem Besitzer des Routers.
Belästigung nicht erkennbar
Auch sonst gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals eine Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG darstellt. Die Aktivierung ist ein ausschließlich technischer Vorgang, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keinerlei Nachteile für die Kunden mit sich bringt. Sie erfordert weder einen mit Störungen verbundenen Besuch bei den Kunden noch deren Mitwirkung. Der Internetzugang der Kunden wird durch die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals nicht beeinträchtigt. Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Sicherheit der Kunden oder durch die erweiterte Nutzung des Routers verursachte Mehrkosten zu Lasten der Kunden hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Für die Kunden besteht auch nicht das Risiko, für von Dritten über das zweite WLAN-Signal begangene Rechtsverletzungen zu haften. Gegen eine Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG spricht schließlich das zeitlich uneingeschränkte Widerspruchsrecht der Kunden. Sie können die Nutzung der ihnen zur Verfügung gestellten Router durch Dritte über ein von der Beklagten betriebenes zusätzliches WLAN-Signal jederzeit durch einen Widerspruch kurzfristig – spätestens zum übernächsten Werktag – beenden. Selbst wenn in der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals eine Belästigung läge, fehlte es an der Unzumutbarkeit der Belästigung. Rechtlich geschützte Interessen der Kunden werden im Zuge der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals nicht verletzt. Gegen die Unzumutbarkeit einer Belästigung spricht ferner das jederzeitige Widerspruchsrecht der Kunden. Die Freischaltung des zweiten WLAN-Signals ist auch nicht mit der in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG geregelten und nur bei Vorliegen einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung des Adressaten zulässigen E-Mail-Werbung vergleichbar, weil sie nicht zu ähnlichen Beeinträchtigungen führt. Eine aggressive Geschäftspraktik im Sinne von § 4a Abs. 1 UWG liegt schon deshalb nicht vor, weil den Kunden ein uneingeschränktes Widerspruchsrecht zusteht und ihre Entscheidungsfreiheit daher nicht beeinträchtigt wird. (ps)
Der Titelschutz Anzeiger Nr. 1409, Woche 17, 26. April 2019
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