Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg (Vorsitzende Richterin ist seit September 2018 Martina Junker-Knauerhase) hat entschieden, dass der Sänger Xavier Naidoo nicht als „Antisemit“ bezeichnet werden darf (Urteil vom 22. Okt. 2019 – Az.: 3 U 1523/18). Das OLG Nürnberg bestätigte damit eine Entscheidung des Landgerichts Regensburg. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, wie der OLG-Pressesprecher und Richter am Oberlandesgericht Friedrich Weitnerin seiner Presse-Information Nr. 33/2019 vom 22. Oktober 2019 festhält.
Eine Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung hatte den Sänger am 5. Juli 2017 in Straubing im Rahmen einer Diskussion mit folgender Äußerung ‚Er (gemeint ist Xavier Naidoo) ist Antisemit, das darf ich, glaube ich, aber gar nicht so offen sagen, (...). Aber das ist strukturell nachweisbar‘ „bewertet“. Die Diskussion fand im Anschluss eines von ihr gehaltenen Vortrages zum Thema „Reichsbürger – Verschwörungsideologie mit deutscher Spezifik“ statt. Xavier Naidoo erhob daraufhin Klage zum Landgericht Regensburg und verlangte u. a. die Unterlassung dieser Äußerung. Das Landgericht Regensburg hat der Klage stattgegeben. Zwar sei die Äußerung der Beklagten als eine Meinungsäußerung und nicht als Schmähkritik zu qualifizieren und daher grundsätzlich vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst, sie verletze den Kläger aber in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Im Rahmen einer Abwägung komme diesem Vorrang zu.
Meinungsfreiheit brauche keine Beweise
Die Beklagte legte gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg Berufung zum Oberlandesgericht Nürnberg ein und begründete diese u. a. damit, dass das Landgericht Regensburg im Rahmen der Abwägung zu Unrecht verlangt habe, dass die Beklagte gewichtige Beweise für ihre Meinung vorlegen müsse. Man könne auch die Liedtexte des Klägers nicht isoliert von diesem betrachten: Die Kunstfreiheit stelle keine Schranke des Rechts dar, seine Meinung zu äußern.
Diese Auffassung teilte der 3. Zivilsenat des OLG Nürnberg nicht. Nach Ansicht des Senats liegt ein erheblicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers vor. Die Äußerung habe gerade vor dem historischen Hintergrund eine Pranger-Wirkung und setze das Ansehen des Klägers herab. Daher ist die Berufung zurückgewiesen worden.
Meinungsfreiheit versus Persönlichkeitsrecht
Im vorliegenden Fall hatte der OLG-Senat zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Recht der freien Meinungsäußerung abzuwägen. Aufgrund der Schwere des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers überwiege dieses das Recht der Beklagten, ihre Meinung frei zu äußern, zumal
die Beklagte aufgrund ihrer Äußerung den Eindruck erweckt habe, dass sie sich – wie tatsächlich nicht – auf objektive Beweise für die Tatsachen stützen könne, auf denen ihre Wertung beruhe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (sog. Stolpe-Doktrin) sei bei einer Unterlassungsklage diejenige Deutung zugrunde zu legen, welche das Persönlichkeitsrecht des Klägers am meisten beeinträchtigt. (ps)
Der Titelschutzanzeiger, Nr. 1435, Woche 43, 25.10.2019
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