Mit seinem Urteil vom 9. April 2019 hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe weitere Präzisierungen vorgenommen, wann von einem Bildnis der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auszugehen ist (Az.: VI ZR 533/16). In dem vorliegenden Streitfall ging es um die Personalisierung und Bebilderung des abstrakten Themas der Vormundschaft. Dr. Holger Nieland, seit 2013 Partner der Hamburger Kanzlei Damm & Mann hat den beklagten Verlag juristisch betreut. Er erläutert das Urteil des VI. Zivilsenats am BGH: „Eine zulässige Bild-Berichterstattung, so der BGH zu dieser Konstellation, setze nicht voraus, dass die oder der Abgebildete einen aktuellen Anlass hierfür gesetzt habe.
Was war geschehen? Geklagt hatte die Tochter eines berühmten deutschen SchauspielerEhepaares. Nach dem Tode beider Eltern hatte eine Freundin der Familie – ebenfalls eine bekannte Schauspielerin – die Vormundschaft für die damals noch minderjährige Tochter übernommen und diesen Umstand in ihrem Beisein auch gegenüber der Presse geäußert. In der Rubrik ,Familienratgeber – Fürsorge‘ berichtete ein Verlag über die Übernahme der Vormundschaft in einem Artikel mit der Überschrift ,Eine Mutter für das Waisenkind‘ und bebilderte ihn mit einem Foto.
Auf dem streitgegenständlichen Foto war die Klägerin – mittlerweile volljährig – mit der Vormundin auf einer öffentlichen Veranstaltung, der Fashion Week in Berlin, zu sehen. Beide posierten lächelnd für die Kamera und präsentierten ein Lebkuchenherz und gemeinsame Fotos aus einem Passbild-Automaten. Gegenstand der Berichterstattung war die Übernahme der Vormundschaft. Hintergrund der Berichterstattung war ein Interview, das die Vormundin der Zeitung zu einem Film gegeben hatte, der am gleichen Abend ausgestrahlt und auf den am Ende des Beitrags hingewiesen wurde.
Das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg als Vorinstanz sah im ,FashionWeekFoto‘ kein Bildnis der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG (Urteil vom 15. Nov. 2016 – Az.: 7 U 100/14). Es argumentierte: ,Damit der ohnehin weite Begriff der Zeitgeschichte nicht ins Uferlose gehe und das Recht am eigenen Bild nicht ausgehöhlt werde, müsse der Abgebildete schon einen berechtigten Anlass für die Bild-Berichterstattung bieten. Ein solcher fehlte jedoch aus Sicht des Berufungsgerichts: Die Fashion Week, auf der das Foto entstanden sei, sei nicht das berichtete Ereignis. Die Vormundschaft könne ebenfalls keinen Anlass für die Berichterstattung geben, weil sie zur Zeit der Veröffentlichung bereits beendet gewesen sei. Das gewählte Thema der familiären Fürsorge sei so konturenlos, dass letztlich jeder eine BildBerichterstattung hinnehmen müsse.
‘Der Bundesgerichtshof widersprach der OLGEntscheidung. Er bejahte ein ,Bildnis der Zeitgeschichte‘, da die Berichterstattung – in der Abgrenzung zur reinen Neugier-Befriedigung – eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse sachbezogen erörtert habe (Elterliche Sorge für Waisen / Vormundschaft). Das abstrakte Thema sei am Beispiel der Klägerin in zulässiger Weise veranschaulicht worden. Die Prominenz der Vormundin und der verstorbenen Eltern habe die Wahrnehmung des Diskussionsbeitrags und dadurch des Themas in der Öffentlichkeit gefördert. Durch das Stilmittel der Personalisierung, so der BGH, könne bei der Leserschaft das Interesse und der Wunsch nach Sachinformationen geweckt werden.“ Informationen zu diesem Urteil in Sachen Bild-Recht finden sich auch auf der KanzleiWebsite www.dammmann.de. (ps)
Der Titelschutzanzeiger, Nr. 1425, Woche 33, 16.08.2019
Über Fromm-FMP
Wir sind Rechtsanwälte mit Sitz in Mainz und Mannheim und bieten professionelle und kompetente Beratung im Bereich Recht, Wirtschaft und Steuer. Sie haben Fragen? Vereinbaren Sie ein unverbindliches Erstgespräch!