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Inhalt

Ordentliche Kündigung außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes
Arbeitsrecht

KSchG § KSCHG § 23 KSCHG § 23 Absatz I;

BGB §§ BGB § 138 BGB § 138 Absatz I, BGB § 242, BGB § 622 BGB § 622 Absatz I;

GG Art. GG Artikel 5 GG Artikel 5 Absatz I, GG Artikel 6 GG Artikel 6 Absatz II, GG Artikel 13 GG Artikel 13 Absatz I;

ZPO §§ ZPO § 320, ZPO § 551 ZPO § 551 Absatz III 1 Nr. ZPO § 551 Absatz 3 Nummer 2 Buchst. b

  1. Eine – an sich neutrale – Kündigung verletzt nur dann das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und ist damit sittenwidrig im Sinne von § BGB § 138 BGB § 138 Absatz I BGB, wenn dem Verhalten des Kündigenden nach den Gesamtumständen eine besondere Verwerflichkeit innewohnt (Rn. 11).
  2. Eine arbeitgeberseitige Kündigung verstößt nur dann gegen § BGB § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § KSCHG § 1 KSchG nicht erfasst sind (Rn. 12).
  3. Im Rahmen der Generalklauseln der §§ BGB § 138, BGB § 242 BGB ist der objektive Gehalt der Grundrechte zu berücksichtigen. Der durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vermittelte verfassungsrechtliche Schutz ist aber umso schwächer, je stärker die mit der Kleinbetriebsklausel des § KSCHG § 23 KSCHG § 23 Absatz I KSchG geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers im Einzelfall betroffen sind. Es geht vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen (Rn. 13).
  4. Ein Kündigung erfolgt nicht willkürlich, wenn sie auf einem irgendwie einleuchtenden Grund beruht. Ein solcher ist bei einem auf konkreten Umständen beruhenden Vertrauensverlust grundsätzlich auch dann gegeben, wenn die Tatsachen objektiv nicht verifizierbar sind. Zur Vermeidung der Sitten- oder Treuwidrigkeit der Kündigung bedarf es nicht der vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers (Rn. 17, 20).
  5. Die Wirksamkeit einer Kündigung bestimmt sich im Zeitpunkt ihres Zugangs. Das gilt auch für die Beurteilung ihrer Sittenwidrigkeit. Deshalb wird eine Kündigung nicht rückwirkend allein deshalb nichtig, weil der Arbeitgeber erst im Rechtsstreit den Entschluss fasst, sie auch unter Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht aus § ZPO § 138 ZPO § 138 Absatz I ZPO zu verteidigen (Rn. 24). (Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG)

    BAG, Urteil vom 5.12.2019 – 2 AZR 107/19

Zum Sachverhalt

Die Parteien stritten noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Die Kl. war bei der Bekl., die nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit dem 1.6.2016 als Nanny/Kinderfrau tätig. Das Arbeitsverhältnis war bis zum 31.5.2017 befristet und mit der gesetzlichen Frist ordentlich kündbar. Neben der Kl. war bei der Bekl. eine zweite Kinderfrau angestellt. Diese kündigte ihr Arbeitsverhältnis zum 31.1.2017. Die Bekl. beabsichtigte, als Ersatz die Zeugin B einzustellen. Frau B war in der zweiten Hälfte des Monats Januar 2017 zusammen mit der Kl. in der Wohnung der Bekl. tätig.

Mit Schreiben vom 2.2.2017, das der Kl. spätestens am 14.2.2017 zuging, kündigte die Bekl. das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 15.3.2017. Dagegen hat die Kl. rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben, der hinsichtlich der

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außerordentlichen Kündigung rechtskräftig stattgegeben wurde. Die noch streitbefangene ordentliche Kündigung hat die Kl. für sitten- und treuwidrig gehalten. Zu den Kündigungen sei es gekommen, weil die Zeugin B der Bekl. wahrheitswidrig mitgeteilt habe, dass die Kl. behauptet habe, die Bekl. sei nie zu Hause, schließe sich immer in ihrem Zimmer ein und esse, wenn sie einmal daheim sei, nur Schokolade mit ihrer Tochter. Die Bekl. habe sich deshalb von der Kl. in ihrer Mutterrolle kritisiert und in ihrer Eitelkeit verletzt gefühlt, obwohl sie gewusst habe, dass diese Behauptungen im Kern wahr und deshalb von der Meinungsfreiheit gedeckt seien. Die Bekl. habe sich aus Rachsucht und um Mittel für eine Anstellung von Frau B freizumachen nicht mit einer ordentlichen Kündigung begnügen, sondern sich fristlos von der Kl. trennen wollen. Da ihr bewusst gewesen sei, dass die vermeintlichen Äußerungen der Kl. keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung bildeten, habe die Bekl. weitere – wahrheitswidrige und die Vertraulichkeit verletzende – Äußerungen der Kl. gegenüber Frau B sowie Kindesmissbrauch durch die Kl. ersonnen und zum Beweis dieser frei erfundenen Kündigungsgründe im Prozess Frau B als Zeugin benannt. Damit sei das „Kündigungsverhalten“ der Bekl. mit der Folge sittenwidrig, dass „die gesamte Kündigung“ nichtig sei. Das Erfinden von Gründen, um die außerordentliche Kündigung zu stützen, schlage auf die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung durch. Da bereits das „Kündigungsverhalten“ sittenwidrig gewesen sei, könne dahinstehen, welche Motivation diesem inakzeptablen Verhalten zugrunde gelegen habe. Allerdings indiziere das Erfinden von Kündigungsgründen die sittenwidrige Gesinnung. Überdies habe die Kl. vor Ausspruch der Kündigung angehört werden müssen und stelle sich die Kündigung als selbstwidersprüchlich dar, weil die Bekl. ihr – der Kl. – noch am 24.1.2017 eine unbefristete Beschäftigung angeboten habe.

Die Kl. hat – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – sinngemäß beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch durch die ordentliche Kündigung der Bekl. vom 2.2.2017 nicht aufgelöst worden ist. Die Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen. Frau B habe in der dritten Kalenderwoche 2017 mehrfaches, erhebliches Fehlverhalten der Kl. gegenüber ihrer Tochter festgestellt. Ende Januar 2017 habe die Zeugin B sich ein Herz gefasst und die Bekl. nicht nur über zahlreiche Indiskretionen der Kl., sondern auch über die beobachteten Missstände sowie die von der Kl. ausgehende Gefahr für das Kindeswohl in Kenntnis gesetzt.

Die Vorinstanzen (ArbG Berlin Urt. v. 8.8.2017 – ARBGBERLIN Aktenzeichen 8CA202517 8 Ca 2025/17, BeckRS 2017, BECKRS Jahr 156010 und LAG Berlin-Brandenburg NZA-RR 2019, NZA-RR Jahr 2019 Seite 358) haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Kl. hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Aus den Gründen

[9] Die Revision ist unbegründet. Das LAG hat die Berufung der Kl. gegen das die Klage abweisende erstinstanzliche Urteil zu Recht zurückgewiesen.

[10] A. Die außerhalb des betrieblichen Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes (§ KSCHG § 23 KSCHG § 23 Absatz I KSchG) erklärte, der Kl. spätestens am 14.2.2017 zugegangene ordentliche Kündigung der Bekl. vom 2.2.2017 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien gem. § BGB § 622 BGB § 622 Absatz I BGB mit Ablauf des 15.3.2017 aufgelöst. Die Kündigung ist weder sittenwidrig (§ BGB § 138 BGB § 138 Absatz I BGB) noch treuwidrig (§ BGB § 242 BGB).

[11] I. Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig iSv § BGB § 138 BGB § 138 Absatz I BGB, wenn es nach seinem Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Verstößt das Rechtsgeschäft – wie eine an sich neutrale Kündigung (BAG AP SchwbG § 17 Nr. AP SCHWBG § 1 [zu II 3]) – nicht bereits seinem Inhalt nach gegen die grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung, muss ein persönliches Verhalten des Handelnden hinzukommen, welches diesem zum Vorwurf gemacht werden kann. Hierfür genügt es im Allgemeinen nicht, dass vertragliche Pflichten verletzt werden. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln oder der zutage tretenden Gesinnung ergeben kann (BGH NJW 2019, NJW Jahr 2019 Seite 3635 Rn. NJW Jahr 2019 Seite 3635 Randnummer 24).

[12] II. Der Grundsatz von Treu und Glauben in § BGB § 242 BGB bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Eine gegen diesen Grundsatz verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist wegen der darin liegenden Rechtsüberschreitung als unzulässig anzusehen. Die Vorschrift des § BGB § 242 BGB ist aber auf Kündigungen neben § KSCHG § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Das Kündigungsschutzgesetz hat die Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und abschließend geregelt, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes geht. Eine Kündigung verstößt deshalb nur dann gegen § BGB § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § KSCHG § 1 KSchG nicht erfasst sind (BAG AP LPVG Art. 77 Bayern Nr. AP LPVGBAYERN Artikel 2= NJOZ 2010, NJOZ Jahr 2010 Seite 2078 Rn. NJOZ Jahr 2010 Seite 2078 Randnummer 41).

[13] III. Im Rahmen der Generalklauseln der §§ BGB § 138, BGB § 242 BGB ist der objektive Gehalt der Grundrechte zu berücksichtigen (BAGE 160, BAGE Band 160 Seite 337 = NJW 2018, NJW Jahr 2018 Seite 1771 Rn. NJW Jahr 2018 Seite 1771 Randnummer 20). Der durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vermittelte verfassungsrechtliche Schutz ist allerdings umso schwächer, je stärker die mit der Kleinbetriebsklausel des § KSCHG § 23 KSCHG § 23 Absatz I KSchG geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers im Einzelfall betroffen sind. Es geht vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen (BVerfGE 97, BVERFGE Jahr 97 Seite 169 = NJW 1998, NJW Jahr 1998 Seite 1475 [zu B I 3 b cc]; BAG NZA-RR 2010, NZA-RR Jahr 2010 Seite 325 Rn. NZA-RR Jahr 2010 Seite 325 Randnummer 24).

[14] IV. Daran gemessen stellt sich die allein noch streitbefangene ordentliche Kündigung weder als sitten- noch als treuwidrig dar.

[15] 1. Das LAG hat angenommen, wenn einer Arbeitgeberin zugetragen werde, eine Arbeitnehmerin verbreite negative Tatsachen über sie, sei es nachvollziehbar, dass die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen möchte. Das gelte umso mehr, als hier die als Nanny/Kinderfrau eingestellte Kl. im absoluten Nähebereich der Bekl. quasi wie ein Familienmitglied tätig war. Eine allgemeine Pflicht zur Aufklärung des „wahren Sachverhalts“ gebe es nicht. Die Bekl. habe sich auch nicht treuwidrig selbstwidersprüchlich verhalten. Schließlich könne zugunsten der Kl. unterstellt werden, dass die Bekl. Gründe für die außerordentliche Kündigung „nachträglich erdichtet“ habe. Späteres prozessuales Verhalten mache die Kündigung(en) nicht unwirksam.

[16] 2. Diese Würdigung ist frei von Rechtsfehlern.

[17] a) Der Willkürvorwurf scheidet aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Rechtsausübung vorliegt (BAG NJOZ 2004, NJOZ Jahr 2004 Seite 4106 [zu B III 1 b]). Ein solcher ist bei einem auf konkreten Umständen beruhenden Vertrauensverlust grundsätzlich auch dann gegeben, wenn die Tatsachen objektiv nicht verifizierbar sind (vgl. BAG NJW 2002, NJW Jahr 2002 Seite 532 [zu II 4 b]). Unstreitig hat die Zeugin B der Bekl. mitgeteilt, dass die Kl. behaupte, sie – die Bekl. – sei nie zu Hause, schließe sich andernfalls immer in ihrem Zimmer ein und esse, wenn sie doch einmal daheim sei, nur Schokolade mit ihrer Tochter. Dass die Bekl. nicht weiter – vermeintlicher – Kritik betreffend ihre Mutterrolle durch eine in ihrem Haushalt beschäftigte Arbeitnehmerin ausgesetzt sein wollte, ist verständlich und hat mit Rachsucht oder Vergeltung (vgl.

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dazu BAG Urt. v. 9.5.1996 – BAG Aktenzeichen 2AZR12895 2 AZR 128/95, BeckRS 1996, BECKRS Jahr 30924514 [zu II 6]) nichts zu tun.

[18] b) Es kann zugunsten der Kl. unterstellt werden, dass die der Bekl. zugetragenen Äußerungen – wären sie so gefallen – als wahre Tatsachenbehauptungen und/oder Meinungsbekundungen in den Schutzbereich von Art. GG Artikel 5 GG Artikel 5 Absatz I GG fielen. Jedenfalls könnte – zumal angesichts der grundrechtlich geschützten Positionen der Bekl. – von einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Meinungsfreiheit der Kl. keine Rede sein. Ihr wird nicht jede kritische Äußerung über die Bekl. und deren Umgang mit ihrem Kind verboten. Die Kl. muss es lediglich hinnehmen, dass sie derartige Kritik nicht – erneut – aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus vorbringen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis überwiegend in dem durch Art. GG Artikel 13 GG Artikel 13 Absatz I GG besonders geschützten Bereich der „räumlichen Privatsphäre“ der Bekl. durchgeführt werden sollte und die ihr über die Zeugin B zugetragenen – vermeintlichen – Äußerungen der Kl. das durch Art. GG Artikel 6 GG Artikel 6 Absatz II GG geschützte elterliche Erziehungsrecht betrafen.

[19] c) Im Rahmen der Generalklauseln der §§ BGB § 138, BGB § 242 BGB kommt es hingegen nicht darauf an, ob die Kl. durch die der Bekl. zugetragenen Äußerungen – unterstellt, sie wären so gefallen – gegen ihre aus § BGB § 241 BGB § 241 Absatz II BGB folgende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange der Bekl. verstieß und ob gegebenenfalls eine solche Pflichtverletzung eine am Maßstab des § KSCHG § 1 KSCHG § 1 Absatz II KSchG zu messende verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen vermöchte. Im Gegenteil kann die Berechtigung von Gründen, die unter Geltung des allgemeinen Kündigungsschutzes als solche im Verhalten der Kl. gewertet werden könnten, auf der Grundlage allein der zivilrechtlichen Generalklauseln gerade nicht nachgeprüft werden (vgl. BAGE 24, BAGE Band 24 Seite 438 = NJW 1973, NJW Jahr 1973 Seite 77 [zu IV]).

[20] d) Die ordentliche Kündigung stellt sich nicht deshalb als sitten- oder doch treuwidrig dar, weil der Kl. keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen gegeben wurde. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist – außer bei einer Verdachtskündigung im Geltungsbereich des § KSCHG § 1 KSCHG § 1 Absatz II KSchG – keine Wirksamkeitsvoraussetzung (BAG NJW 2014, NJW Jahr 2014 Seite 3533 Rn. NJW Jahr 2014 Seite 3533 Randnummer 33).

[21] e) Die Bekl. hat sich mit dem Ausspruch der ordentlichen Kündigung nicht iSv § BGB § 242 BGB rechtsmissbräuchlich selbstwidersprüchlich verhalten (zu den Anforderungen vgl. BAGE 161, BAGE Band 161 Seite 335 = NZA 2018, NZA Jahr 2018 Seite 1558 Rn. NZA Jahr 2018 Seite 1558 Randnummer 38). Durch das Inaussichtstellen eines unbefristeten Arbeitsvertrags ist schon kein entsprechender Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Die Bekl. hätte auch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgrund der Kleinbetriebsklausel des § KSCHG § 23 KSCHG § 23 Absatz I KSchG ohne das Erfordernis einer besonderen Rechtfertigung ordentlich kündigen können.

[22] f) Es bedarf keiner Entscheidung, ob der ausschließlich gegen eine vorrangig erklärte außerordentliche fristlose Kündigung erhobene Vorwurf der Sittenwidrigkeit auf eine ausdrücklich hilfsweise zu dieser ausgesprochene ordentliche Kündigung – und damit auf ein anderes Rechtsgeschäft – „durchschlagen“ kann.

[23] aa) Nach den weder mit einem erfolgreichen Tatbestandsberichtigungsantrag gem. § ZPO § 320 ZPO noch einer (zulässigen) Verfahrensrüge iSv § ZPO § 551 ZPO § 551 Absatz III 1 Nr. ZPO § 551 Absatz 3 Nummer 2 Buchst. b ZPO angegriffenen Feststellungen des LAG hat die Kl. in den Tatsacheninstanzen nur behauptet, die Bekl. habe die außerordentliche fristlose Kündigung im Prozess durch selbst erfundene Vorwürfe und im Zusammenwirken mit einer „lügenden“ Zeugin zu verteidigen versucht. Hingegen ist nicht festgestellt, dass die Bekl. nach substanziierter Behauptung der Kl. einen entsprechenden Beschluss bereits bei Ausspruch der Kündigungen für den Fall eines möglichen Rechtsstreits gefasst hatte. Dementsprechend hat die Kl. auf Nachfrage des Senats in der Revisionsverhandlung bestätigt, insofern handele es sich um eine bloße „Mutmaßung“.

[24] bb) Der erst nach Vornahme eines Rechtsgeschäfts gefasste Vorsatz, dieses im Rahmen eines zwischenzeitlich anhängigen Rechtsstreits unter Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht aus § ZPO § 138 ZPO § 138 Absatz I ZPO zu verteidigen, kann sich gegebenenfalls als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung iSv § BGB § 826 BGB darstellen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl., § 826 Rn. 50), zu der es hier im Übrigen nicht gekommen wäre, weil die außerordentliche Kündigung bereits erstinstanzlich rechtskräftig für unwirksam befunden wurde. Er kann aber nicht eine Kündigung rückwirkend nichtig machen, deren Wirksamkeit als Gestaltungsrecht sich im Zeitpunkt ihres Zugangs bestimmt (BAG NZA 2013, NZA Jahr 2013 Seite 1007 Rn. NZA Jahr 2013 Seite 1007 Randnummer 66). Das gilt auch für die Beurteilung ihrer Sittenwidrigkeit (vgl. Palandt/Ellenberger, § 138 Rn. 9).

NJW 9/2020

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