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LAG Mecklenburg-Vorpommern: Abfindungszahlung - "Turboklausel" - Schriftform - Kündigung per beA
Arbeitsrecht

Urteil vom 09.05.2023, 2 Sa 146/22

Leitsatz

  1. Die Einräumung des Rechtes für eine Partei eines Arbeitsvertrages mit einer bestimmten Ankündigungsfrist vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden zu können, stellt ein § 12 Satz 1 KSchG vergleichbares Sonderkündigungsrecht dar, welches in einem Abwicklungsvertrag eingeräumt werden kann, dessen Ausübung jedoch dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB unterfällt.
  2. § 623 BGB erfasst jedes Arbeitsverhältnis. Der Gesetzgeber hat das Schriftformerfordernis als konstitutiv angesehen. Es handelt sich deshalb um zwingendes Recht, welches weder durch vertragliche noch durch tarifvertragliche Regelungen abbedungen werden kann (BAG, Urteil vom 17.12.2015 - 6 AZR 709/14 - Rn. 35, juris).
  3. Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen (§ 126a BGB). Eine solche Ersetzung ist jedoch nur möglich, wenn die elektronische Form nicht durch Gesetz ausgeschlossen ist.
  4. Für Kündigungen ist gemäß § 623 2. Halbsatz BGB der Ausschluss der elektronischen Form normiert. Damit hat der Gesetzgeber eindeutig zu verstehen gegeben, dass das Schriftformerfordernis konstitutiv ist, die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch elektronische Form nicht in Betracht kommt.
  5. Die Formvorschriften des Bürgerlichen Rechts sind von denen des Prozessrechts strikt zu unterscheiden. Sie können wegen der Eigenständigkeit des Prozessrechts weder unmittelbar noch entsprechend auf Prozesshandlungen angewendet werden. Die Möglichkeit der  Nutzung der qualifizierten elektronischen Signatur und Übermittlung durch das besondere Anwaltspostfach dient der Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren, verfolgt damit eine andere Ziel- und Zweckrichtung als die Formvorschriften des BGB. Es bedarf keiner Übertragung des für das Prozessrecht vorgesehenen Beschleunigungs- und Vereinfachungseffekts auf den Ausspruch von Kündigungen für Arbeitsverhältnisse.

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund – Kammern Neubrandenburg – Aktenzeichen 13 Ca 99/22 vom 20.09.2022 abgeändert und die Klage abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten wegen einer Abfindungszahlung um die Frage der formgerechten Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger war seit ca. 14 Jahren bei der Beklagten als Küchenleiter zu einer monatlichen Bruttovergütung von 2.700,00 € beschäftigt. Mit Schreiben vom 17.06.2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich, vorsorglich ordentlich zum 30.11.2021. In dem wegen dieser Kündigung geführten Rechtsstreit schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich. Dieser lautet u.a.:

 1.
Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 17.6.2021 mit Ablauf des 30.11.2021 enden wird. Die Beklagte hält die im Zusammenhang mit den Kündigungen erhobenen Vorwürfe nicht weiter aufrecht.

2.
Der Kläger ist bis zum Beendigungszeitpunkt unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung einer monatlichen Vergütung in Höhe von 1.800,00 € brutto freigestellt. Die Freistellung erfolgt zunächst unter Anrechnung der noch zustehenden Resturlaubsansprüche sowie sonstiger eventueller Freistellungsansprüche. Im Anschluss an diese Anrechnungszeiträume ist anderweitiger Verdienst nach § 615 S. 2 BGB anzurechnen. Der Kläger ist verpflichtet, anderweitig erzielten Verdienst der Beklagten unaufgefordert mitzuteilen.

3.
Das Arbeitsverhältnis kann durch den Kläger unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist von einer Woche vorzeitig durch schriftliche Erklärung gegenüber der Beklagten beendet werden. Die vorzeitige Beendigung liegt im Interesse der Beklagten. Im Falle der vorzeitigen Beendigung erhält der Kläger die ihm nach der vorzeitigen Beendigung bis zur ursprünglichen nach § 1 vorgesehenen Beendigungsdatum noch ausstehende monatliche Bruttovergütung (ausschließlich der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung) als Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG. Macht der Kläger von dieser Möglichkeit Gebrauch, so gilt der Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet wird, als Beendigungsdatum im Sinne des § 1.“

Mit Schreiben vom 20.07.2021 (Anlage K 3, Bl. 9 d.A.) teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten namens und in Vollmacht seines Mandanten mit, dass dieser das Arbeitsverhältnis vorzeitig zum 31.07.2021 beendet. Dieses Schreiben versah er mit einer qualifizierten Signatur und übersandte es über das besondere elektronische Anwaltspostfach an den Beklagtenvertreter.

Mit Schreiben vom 30.01.2022 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung einer weiteren Abfindung in Höhe von 7.200,00 € unter Fristsetzung bis zum 15.02.2022 mit Bezugnahme auf Ziffer 3 des Vergleiches und die darin enthaltene „Turboklausel“ auf.

Nachdem dies erfolglos blieb, hat der Kläger die der Beklagten am 16.04.2022 zugestellte Zahlungsklage über den Abfindungsbetrag von 7.200,00 € brutto eingereicht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei infolge der Erklärung seines Prozessbevollmächtigten vom 20.07.2021 zum 31.07.2021 vorzeitig beendet worden und ihm stehe deshalb die durch die Beklagte eingesparte Vergütung in Höhe von 4 x 1.800,00 € brutto als weitere Abfindung zu. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch den Prozessvergleich unter Anerkennung der streitgegenständlichen Kündigung vom 30.11.2021 beendet worden und ihm sei in gewillkürt ausgestalteter Form die Möglichkeit zur vorzeitigen Beendigung eingeräumt worden. Diese Erklärung habe per elektronischer Form mit qualifizierter Signatur wirksam abgegeben werden können (§§ 127, 126a BGB). Eine Berufung der Beklagten auf die Verletzung von Formvorschriften sei treuwidrig.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Abfindungszahlung in Höhe von 7.200,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.02.2022 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe keine weitere Abfindungszahlung zu, da das Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig, sondern wie in dem Prozessvergleich vereinbart zum 30.11.2021 beendet worden sei. Eine vorzeitige Beendigung scheide aus, weil die Erklärung des Klägers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2021 nicht die erforderliche Schriftform aufweise. Es habe zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses einer Kündigung unter Wahrung des Schriftformerfordernisses gemäß § 623 BGB bedurft. Die in Ziffer 3 des Vergleiches angesprochene Erklärung müsse eine eigenständige Kündigung darstellen und unterliege als solche zwingend dem Formerfordernis des § 623 BGB. Für eine Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB bestehe keine Veranlassung. Entgegen der Auffassung des Klägers sei in dem Vergleich keine gewillkürte Form zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart. Es sei unter Ziffer 3 des Vergleiches lediglich eine Kürzungsmöglichkeit im Hinblick auf die Kündigungsfrist zu Gunsten des Klägers vorgesehen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung angeführt, es könne offenbleiben, ob es sich bei der Regelung unter Ziffer 3 des gerichtlichen Vergleiches um einen Aufhebungsvertrag handele, der unter der aufschiebenden Bedingung einer schriftlichen Erklärung des Arbeitnehmers stehe oder um eine bloße Abwicklungsvereinbarung, die dem Arbeitnehmer ein Sonderkündigungsrecht einräume. Handele es sich um einen bedingten Auflösungsvertrag, habe der gerichtliche Vergleich selbst das Arbeitsverhältnis aufgelöst. Dieser genüge dem Formerfordernis des § 623 BGB. An die unter Ziffer 3 genannte Erklärung des Arbeitnehmers seien keine besonderen Formanforderungen zu stellen. Die in dem Vergleich vereinbarte Schriftform könne durch die elektronische Erklärung im Sinne des § 126a BGB ersetzt werden.

Gehe man hingegen davon aus, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht unmittelbar aufgrund der vereinbarten Klausel, sondern erst aufgrund einer Kündigung vollzogen werde, so handele es sich bei der Erklärung des klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 20.07.2021 um eine formwirksame Kündigung. Zwar sei die Schriftform nicht gewahrt, diese sei jedoch durch die elektronische Form ersetzt. § 623 2. Halbsatz BGB sei teleologisch zu reduzieren. Die Formvorschrift des § 623 2. Halbsatz BGB widerspreche dem Zweck der „Turboklausel“ und des besonderen Schutzes der Schriftform bedürfe es in der Vergleichssituation nicht. Auch eine Warnfunktion müsse die Erklärung nicht erfüllen. Der Klarstellungs- und Beweisfunktion sei durch die Abgabe der Erklärung in elektronischer Form durch einen Prozessbevollmächtigten genüge getan.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 05.10.2022 zugestellte Urteil mit am 05.10.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 05.12.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Hierzu führt die Beklagte an, unter Punkt 3 des arbeitsgerichtlichen Vergleiches sei zwischen den Parteien für den Kläger lediglich die Möglichkeit eröffnet, ein Sonderkündigungsrecht entsprechend § 12 Satz 1 KSchG zu nutzen und damit das Arbeitsverhältnis vorzeitig ohne Einhaltung der bestehenden Kündigungsfrist zu beenden. Nicht enthalten und auch nicht abdingbar sei jedoch die Änderung der gesetzlich gebotenen Form nach §§ 623, 126 BGB. Das erstinstanzliche Gericht verkenne, dass lediglich der Abwicklungsvertrag selbst im Gegensatz zum Aufhebungsvertrag und zur Kündigung nicht der Schriftform nach § 623 BGB unterliege. Davon getrennt zu betrachten sei jedoch die Kündigungserklärung, mit welcher von dem Sonderkündigungsrecht aus dem Abwicklungsvertrag Gebrauch gemacht werde. Diese habe sich zwingend an die Vorgaben des § 623 BGB zu halten. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur teleologischen Reduktion des § 623 2. Halbsatz BGB überzeugten nicht. Auch nach Abschluss des gerichtlichen Vergleiches bestehe weiterhin ein Arbeitsverhältnis. Es sei kein Grund erkennbar, warum hierbei von einem Arbeitsverhältnis 2. Klasse ausgegangen werden sollte, welches geringeren Schutzvorschriften unterliege als ansonsten ein Arbeitsverhältnis. Zudem bedürfe es weiterhin des besonderen Schutzes durch die Einhaltung der Formvorschriften, auch wenn eine vorzeitige Beendigung im Interesse des Arbeitgebers liegen sollte. Ebenso verbleibe es bei der erforderlichen Klarstellungs- und Beweisfunktion.

Weil die Kündigungserklärung nach § 125 Satz 1 BGB nichtig sei, könne auch ein Abfindungsanspruch für den Kläger nicht entstanden sein.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund – Kammern Neubrandenburg -,
Az.: 13 Ca 99/22 vom 20.09.2022 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und geht davon aus, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch seine Erklärung vom 20.07.2021 wirksam beendet sei, sei es, weil diese als Erklärung im Rahmen eines bedingten Auflösungsvertrages, der unter der aufschiebenden Bedingung einer schriftlichen Erklärung steht, oder als Kündigung im Rahmen einer Abwicklungsvereinbarung zu verstehen sei. Nach Abschluss eines Abwicklungsvertrages bedürften die Parteien des besonderen Schutzes der Formvorschriften nicht mehr. Das Ziel der Rechtssicherheit und Beweiserleichterung im Rechtsstreit werde vorliegend gerade durch die elektronische Form mittels qualifizierter Signatur gewahrt. Das Erfordernis der Identitäts-, Echtheits- und Verifikationsfunktion sei durch die qualifizierte Signatur gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften, die erstinstanzliche Entscheidung verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts war abzuändern und die Klage abzuweisen, weil dem Kläger kein Zahlungsanspruch auf eine weitere Abfindung zusteht. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist aufgrund des geschlossenen arbeitsgerichtlichen Vergleiches zum 30.11.2021 aufgelöst worden. Es ist nicht vorzeitig infolge der Erklärung des klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 20.07.2021 zum 31.07.2021 beendet worden, sondern bestand bis zum 30.11.2021 fort, weil zur Beendigung der Ausspruch einer formwirksamen Kündigung erforderlich war, die mit der Erklärung vom 20.07.2021 jedoch nicht vorliegt. Diese Erklärung ist vielmehr formunwirksam und damit gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig. Eine Kündigung bedarf der Schriftform, die elektronische Form ist für sie ausgeschlossen.

I.
Die gemäß § 64 Abs. 2b ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

II.
Die Berufung ist erfolgreich.
Die zulässige Zahlungsklage ist unbegründet. Es liegt keine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2021 vor. Bei der in Ziffer 3 des arbeitsgerichtlichen Vergleiches der Parteien angesprochenen Erklärung zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses handelt es sich um eine Kündigung, welche gemäß § 623 BGB der Schriftform des § 126 BGB bedarf. Die hier zur Entscheidung berufene Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundearbeitsgerichts, welche in der Entscheidung vom 17.12.2015 – 6 AZR 709/14 – zum Ausdruck gebracht ist. Da die erforderliche Schriftform nicht gewahrt wurde, ist die Kündigung gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig und hat das Arbeitsverhältnis nicht zum 31.07.2021 beendet.

Die unter Ziffer 3 des gerichtlichen Vergleiches der Parteien genannte Erklärung unterliegt dem Formzwang des § 623 BGB, weil sie eine Kündigung darstellt und nicht lediglich eine „Modifikation“ oder „Umgestaltung“ einer vertraglichen Vereinbarung.

Eine Kündigung ist die einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, durch welche das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des Kündigenden zu einem bestimmten Termin einseitig aufgelöst werden soll. Ein Auflösungs- oder Aufhebungsvertrag ist dagegen eine Vereinbarung über das (vorzeitige) Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus einem Arbeitsverhältnis. Hiervon zu unterscheiden ist der Abwicklungsvertrag. Mit einem Abwicklungsvertrag vereinbaren die Parteien nach Erklärung einer Kündigung die Bedingungen, zu denen der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird nicht durch den Abwicklungsvertrag bewirkt, sondern durch die ausgesprochene Kündigung (BAG, Urteil vom 17.12.2015 – 6 AZR 709/14 – Rn. 31 ff, juris).

Vorliegend haben die Parteien unter Ziffer 1 des gerichtlichen Vergleiches festgelegt, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der arbeitgeberseitigen Kündigung vom 17.06.2021 zum 30.11.2021 beendet werden wird. Damit haben die Parteien eindeutig bestimmt, dass diese Kündigung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirken soll. Der gerichtliche Vergleich enthält sodann wie ein Abwicklungsvertrag weitere Regelungen zur Beendigung, trifft jedoch keine weiteren Bestimmungen zur Beendigung selbst. Er enthält als Abwicklungsvereinbarung selbst keinerlei anderweitigen Beendigungstatbestand oder anderweitigen Beendigungstermin, sondern bezieht sich lediglich auf Beendigungsmodalitäten. Um eine vorzeitige Beendigung vor dem 30.11.2021 zu bewirken, haben die Parteien festgelegt, dass eine Erklärung des Klägers erfolgen soll. Dabei handelt es sich, auch wenn nicht ausdrücklich als solche bezeichnet, um eine Kündigung, denn es soll die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Veranlassung des Klägers zu einem vorzeitigen, von dem Kläger zu benennenden Termin geschehen. Dieser Beendigungstatbestand soll den unter Ziffer 1 des gerichtlichen Vergleiches genannten Beendigungstatbestand, nämlich die Kündigung der Beklagten zum 30.11.2021 ersetzen. Die Beendigung soll nunmehr durch den Kläger mit einer Erklärung zur Beendigung zum 31.07.2021 erfolgen. Auf eine derartige Kündigung findet § 623 BGB zwingend Anwendung, selbst wenn die Parteien gemäß § 127 Abs. 2 BGB für die sogenannte Anzeige des vorzeitigen Ausscheidens die schriftliche Form rechtsgeschäftlich bestimmen wollten (BAG, Urteil vom 17.12.2015 – 6 AZR 709/14 – Rn. 33, juris).

Die Einräumung des Rechtes für eine Partei eines Arbeitsvertrages mit einer bestimmten Ankündigungsfrist vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden zu können, stellt ein § 12 Satz 1 KSchG vergleichbares Sonderkündigungsrecht dar, welches in einem Abwicklungsvertrag eingeräumt werden kann, dessen Ausübung jedoch dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB unterfällt. Gemäß § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag zur ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies soll Rechtssicherheit für die Vertragsparteien und eine Beweiserleichterung im Rechtsstreit bewirken. Die von dem Aussteller der Urkunde geleistete Unterzeichnung dient der Identitätsfunktion. Durch die Verbindung zwischen Unterschrift und Erklärungstext wird die Echtheitsfunktion gewährleistet. Schließlich erhält der Empfänger der Erklärung die Möglichkeit zu überprüfen, wer die Erklärung abgegeben hat und ob die Erklärung echt ist (Verifikationsfunktion). Die Schriftform des § 623 i.V.m. § 126 BGB schützt damit vor allem den Kündigungsempfänger, entfaltet darüber hinaus für den Erklärenden eine Warnfunktion. § 623 BGB erfasst jedes Arbeitsverhältnis. Der Gesetzgeber hat das Schriftformerfordernis als konstitutiv angesehen. Es handelt sich deshalb um zwingendes Recht, welches weder durch vertragliche noch durch tarifvertragliche Regelungen abbedungen werden kann (BAG, Urteil vom 17.12.2015 – 6 AZR 709/14 – Rn. 35, juris).

Gemäß § 125 Satz 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, nichtig. Die Erklärung des klägerischen Prozessbevollmächtigten ist, obgleich mit qualifizierter Signatur versehen, nicht in der gesetzlich vorgesehenen Form erfolgt und kann diese auch nicht ersetzen.

Nach § 126 Abs. 1 BGB muss, wenn durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben ist, die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Dabei kann die schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt (§ 126 Abs. 3 BGB). Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen (§ 126a BGB). Eine solche Ersetzung ist jedoch nur möglich, wenn die elektronische Form nicht durch Gesetz ausgeschlossen ist. Dies geschieht für Kündigungen gemäß § 623 2. Halbsatz BGB, indem dort ausdrücklich der Ausschluss der elektronischen Form normiert ist.

Es hat auch keine teleologische Reduktion zu erfolgen. Eine solche würde den gesetzgeberischen Vorgaben zuwiderlaufen. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass den Formvorschriften der ZPO andere Funktionen zukommen, als den Formvorschriften des BGB. Durch die qualifizierte Signatur ist zwar der Identitäts- und der Verifikationsfunktion genüge getan. Der Warnfunktion bedarf es jedoch dennoch. Anders als im Fall des § 12 Satz 1 KSchG, in dem der gekündigte Arbeitnehmer bereits ein anderes Arbeitsverhältnis eingegangen ist, muss in einem Fall wie dem vorliegenden der Arbeitnehmer noch nicht ein neues Arbeitsverhältnis begründet haben, wenn er von der Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung Gebrauch macht. Insoweit entfällt die Warnfunktion nicht zwingend. Aber selbst wenn sie wie im Falle des § 12 Satz 1 KSchG praktisch entfallen sollte, verbleibt es bei der Klarstellungs- und Beweisfunktion des § 623 BGB, die auch den Arbeitgeber schützen. Gleiches gilt in der vorliegenden Konstellation (vgl. BAG, Urteil vom 17.12.2015 – 6 AZR 709/14 – Rn. 41, juris).

Die Formvorschriften des Bürgerlichen Rechts sind von denen des Prozessrechts strikt zu unterscheiden. So können Formvorschriften des Bürgerlichen Rechts wegen der Eigenständigkeit des Prozessrechts weder unmittelbar noch entsprechend auf Prozesshandlungen angewendet werden. Die Möglichkeit der Nutzung der qualifizierten elektronischen Signatur und Übermittlung durch das besondere Anwaltspostfach dient der Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren, verfolgt damit eine andere Ziel- und Zweckrichtung als die Formvorschriften des BGB. Es bedarf keiner Übertragung des für das Prozessrecht vorgesehenen Beschleunigungs- und Vereinfachungseffekts auf den Ausspruch von Kündigungen für Arbeitsverhältnisse.

Durch die Formulierung in § 623 2. Halbsatz BGB, dass die elektronische Form ausgeschlossen ist, hat der Gesetzgeber eindeutig zu verstehen gegeben, dass das Schriftformerfordernis konstitutiv ist, die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch elektronische Form nicht in Betracht kommt. Der Gesetzgeber hat es nicht für erforderlich gehalten, insoweit eine Anpassung der Formvorschriften des BGB an die der ZPO vorzunehmen. Dies wird insbesondere auch darin deutlich, dass der Gesetzgeber in der Neufassung des Nachweisgesetzes vom 20.07.2022 in § 2 Absatz 1 Satz 3 den Satz „Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ist ausgeschlossen.“ im Gesetzestext belassen hat, obgleich er im Absatz 1 insbesondere auch in dessen Satz 4 umfangreiche Änderungen durchgeführt hat. Hätte er eine Änderung für die elektronische Form durchführen wollen, hätte dies mit der Neufassung des Nachweisgesetzes nahegelegen. Die Unterlassung einer Änderung bestätigt den Willen des Gesetzgebers, hier ausdrücklich die elektronische Form, auch mit qualifizierter Signatur ohne Ersetzungsmöglichkeit ausschließen zu wollen. Insoweit korrespondiert der Ausschluss der elektronischen Form für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit Niederlegung der wesentlichen arbeitsvertraglichen Bedingungen und deren Nachweis mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung oder Auflösungsvertrag, für welche ebenfalls der Ausschluss der elektronischen Form geregelt ist.

Der Beklagten ist die Berufung auf den Formmangel schließlich nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt. Eine solche kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn das Ergebnis für ein Vertragsteil schlechthin untragbar ist und Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Berechtigten in hohem Maße als widersprüchlich erscheinen lassen (BAG, Urteil vom 17.12.2015 – 6 AZR 709/14 – Rn. 51, juris). Dafür sind vorliegend keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.
Randnummer42
Ist das Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig beendet worden, steht dem Kläger auch keine weitere Abfindungszahlung zu.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO.

Gründe zur Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) bestehen nicht.

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