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Inhalt

Kein Betriebsübergang ohne Wechsel der Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers
Arbeitsrecht

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die die Beklagte auf betriebsbedingte Gründe stützt.

Der Kläger zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs 58-jährige, verheiratete und einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger wurde von der Z. kraft schriftlichen Arbeitsvertrages vom 28. März 2013 (Bl. 4 ff. d. A.) zum 08. April 2013 als Sales Manager eingestellt, wobei die Arbeitgeberin des Klägers seit spätestens 2017 unter Y. firmierte. Zuletzt bezog der Kläger ein monatliches Einkommen von durchschnittlich 12.083,45 EUR brutto monatlich.

Alleinige Gesellschafterin der Arbeitgeberin des Klägers, der Y., war die Y. Limited, deren Gesellschaftsanteile von der X., Inc., der Muttergesellschaft der Beklagten, im Februar 2021 erworben und übernommen wurden und die seit März 2021 unter W. firmiert. Im Juni 2021 wurde die Firma der Arbeitgeberin des Klägers, der Y., im Handelsregister bei gleichbleibendem Sitz unter C. eingetragen, welche die Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits ist.

Ab Juli 2021 erhielt der in A-Stadt wohnhafte Kläger, der seine Tätigkeit von seinem Wohnort aus verrichtete, Abrechnungen von der Beklagten, welche regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer mit Ausnahme der Auszubildenden beschäftigt. Die Beklagte erklärte gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 11. November 2021, zugestellt durch Boten, eine ordentliche Kündigung des mit ihr bestehenden Arbeitsverhältnisses zum 28. Februar 2022.

Der Kläger hat am 24. November 2022 beim Arbeitsgericht Koblenz Kündigungsschutzklage erhoben, die der Beklagten am 27. November 2022 zugestellt worden ist.

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Kündigung sei nach § BGB § 613 a Abs. BGB § 613A Absatz 3 BGB unwirksam, da es im Juni 2021 zu einem Betriebsübergang von der Y. auf die Beklagte gekommen sei, worauf die Kündigung beruhe. Offensichtlich solle er bei der Beklagten durch günstiger arbeitende Mitarbeiter ersetzt werden. Über den Betriebsübergang sei er nicht ordnungsgemäß informiert worden. Aus der offiziellen Veröffentlichung von Y. (Bl. 79 f. d. A.) ergebe sich, dass das von ihr produzierte Produkt Bulkamid mit der kompletten Infrastruktur an die Beklagte verkauf worden sei.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 11. November 2022 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen die Auffassung vertreten, ein Betriebsübergang liege angesichts des bloßen Erwerbs von Gesellschaftsanteilen und der Umfirmierungen nicht vor. Auch sei nicht wegen eines Betriebsübergangs gekündigt worden; sie habe lediglich die unternehmerische Entscheidung zur Einschränkung ihrer Tätigkeiten in Deutschland getroffen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 07. April 2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen angeführt, die zulässige Kündigungsschutzklage sei nicht begründet. Die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis zum 28. Februar 2022 aufgelöst. Die Kündigung sei nicht nach § BGB § 613a Abs. BGB § 613A Absatz 4 BGB unwirksam, weil ein Betriebsübergang mangels Wechsels der Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers nicht vorliege. Ein Gesellschafterwechsel wie vorliegend begründe diesen nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf S. 3 ff. d. Urteils (= Bl. 91 ff. d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen das am 02. Mai 2022 zugestellte Urteil mit am 20. Mai 2022 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit am 22. Juli 2022 innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

Der Kläger trägt zweitinstanzlich nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 22. Juli 2022 (Bl. 123 ff. d. A.), hinsichtlich deren weiteren Inhaltes auf den Akteninhalt ergänzend Bezug genommen wird, zur Begründung seiner Berufung vor, entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts liege ein Betriebsübergang iSd. § BGB § 613 a Abs. BGB § 613A Absatz 1 Satz 1 BGB vor. Bereits eine E-Mail der Beklagten vom 26. Februar 2021 bestätige, dass die X das V Business von Y. erworben habe, was für einen Betriebsübergang und gegen eine Umfirmierung spreche. Die Gesamtschau aller einzubeziehenden Kriterien spreche für einen Betriebsübergang. Die Beklagte habe die Belegschaft und sämtliche Produktionsmittel übernommen, es liege auch ein Übergang einer wirtschaftlichen Einheit vor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 07. April 2022 – ARBGKOBLENZ Aktenzeichen 9CA271321 9 Ca 2713/21 – abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 11. November 2022 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das vom Kläger angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 17. August 2022 (Bl. 137 f. d. A.), hinsichtlich deren weiteren Inhaltes auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, zweitinstanzlich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags wie folgt, die Berufung sei unbegründet. Wie bereits ausführlich dargestellt, hätten sich ausschließlich die Eigentümerverhältnisse der Beklagten verändert und es liege offenkundig eine bloße Umfirmierung vor. Daran ändere auch die vorgelegte E-Mail nichts, die sich zudem auf die X beziehe. Die Beklagte habe lediglich auf Konzernmutterebene durch Anteilserwerb einen neuen (indirekten) Gesellschafter erhalten.

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

A

Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht erfolgreich.

  1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ ARBGG § 64 Abs. ARBGG § 64 Absatz 2 Buchstabe c ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 02. Mai 2022 zugestellte Urteil mit am 20. Mai 2022 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen form- und fristgerecht Berufung eingelegt (§ ARBGG § 66 Abs. ARBGG § 66 Absatz 1 Satz 1 und 2, § ARBGG § 64 Abs. ARBGG § 64 Absatz 6 ArbGG iVm. § ZPO § 519 ZPO) und diese mit Schriftsatz vom 22. Juli 2022, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, rechtzeitig und infolge der vertieften Darlegung ihrer Rechtsauffassung zum Vorliegen der Voraussetzungen eines Betriebsübergangs nach § BGB § 613a Abs. BGB § 613A Absatz 1 BGB auch ordnungsgemäß begründet (§ ARBGG § 66 Abs. ARBGG § 66 Absatz 1 Satz 1, 2, § ARBGG § 64 Abs. ARBGG § 64 Absatz 6 ArbGG, § ZPO § 520 ZPO).
  2. In der Sache bleibt die Berufung ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender, klarer Begründung zu Recht angenommen, dass die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 11. November 2022 das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist am 28. Februar 2022 beendet hat. Es hat richtig entschieden, dass die Kündigung nicht – wie vom Kläger geltend gemacht – gemäß § BGB § 613a Abs. BGB § 613A Absatz 4 BGB unwirksam ist, weil sie wegen eines Betriebsübergangs iSd. § BGB § 613a Abs. BGB § 613A Absatz 1 Satz 1 BGB ausgesprochen worden wäre. Die Berufungskammer folgt vollumfänglich den Gründen der angefochtenen Entscheidung, macht sich diese zur Vermeidung von Wiederholungen zu eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ ARBGG § 69 Abs. ARBGG § 69 Absatz 2 ArbGG). Die Angriffe der Berufung rechtfertigen ein anderes Ergebnis nicht.
  3. Maßgeblich für einen Betriebsübergang ist stets der Wechsel der Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers. Bleibt das Rechtssubjekt des Betriebsinhabers identisch, fehlt es an einem Betriebsübergang. Damit berührt auch ein Wechsel der Gesellschafter die Identität der Gesellschaft als Rechtssubjekt nicht, so dass allein der Gesellschafterwechsel zu keinem Betriebsübergang führt (vgl. BAG 14. August 2007 – BAG Aktenzeichen 8AZR80306 8 AZR 803/06 – Rn. BAG Aktenzeichen 8AZR80306 2007-08-14 Randnummer 16, mwN, zitiert nach juris). Der bloße Erwerb von Anteilen an einem Unternehmen und die Ausübung von Herrschaftsmacht über dieses Unternehmen durch ein anderes Unternehmen genügen nicht für die Annahme eines Übergangs von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen iSd. EGRL 23/2001 (BAG 27. April 2017 – BAG Aktenzeichen 8AZR85915 8 AZR 859/15 – Rn. BAG Aktenzeichen 8AZR85915 2017-04-27 Randnummer 26, zitiert nach juris). Ein „Übergang“ iSd. EGRL 23/2001 erfordert eine Übernahme durch einen „neuen“ Arbeitgeber. Dies gilt auch für das Verständnis der Bestimmungen des nationalen Rechts, dh. für § BGB § 613a BGB (BAG 27. April 2017 – BAG Aktenzeichen 8AZR85915 8 AZR 859/15 – Rn. BAG Aktenzeichen 8AZR85915 2017-04-27 Randnummer 31, aaO).
  4. Hiervon ausgehend hat der Kläger auch zweitinstanzlich keinen Vortrag gehalten, der für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Betriebsübergangs nach § BGB § 613 a Abs. BGB § 613A Absatz 1 Satz 1 BGB sprechen könnte. Dies ist auch nicht anderweitig ersichtlich. Ausweislich der Eintragung vom 30. Juni 2021 im Handelsregisterauszug der Beklagten (Amtsgericht Düsseldorf HRB 56272, vgl. Bl. 54 ff. (57) d. A.) hat die Gesellschafterversammlung vom 24. Juni 2021 eine Änderung des Gesellschaftsvertrags in § 1 Abs. 1 und damit der Firma (von Y.) auf C. beschlossen. Eine derartige bloße Umfirmierung erfüllt die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs iSd. § BGB § 613 a BGB mangels Wechsels des Betriebsinhabers nicht. Der bloße Erwerb der Gesellschaftsanteile der alleinigen Gesellschafterin der Beklagten Y. Limited (seit März 2021 W.) durch die X., Inc. im Februar 2021, kann einen Betriebsübergang nicht begründen. Soweit der Kläger sich auf die offizielle „Begrüßung“ der Arbeitnehmer der Beklagten durch die Muttergesellschaft der neuen Gesellschafterin per E-Mail (Bl. 143 ff. d. A.) beruft, ändert dies an den gesellschaftsrechtlichen Strukturen nichts. Die pauschale Behauptung des Klägers, die Beklagte habe die Belegschaft, das Produkt und eine wirtschaftliche Einheit übernommen, ist nicht geeignet, darzulegen, dass ein Wechsel in der Rechtspersönlichkeit der Beklagten eingetreten ist.

B

Die Kostenentscheidung beruht auf § ZPO § 97 Abs. ZPO § 97 Absatz 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § ARBGG § 72 Abs. ARBGG § 72 Absatz 2 ArbGG sind nicht gegeben.

 

LAG Rheinland-Pfalz Urt. v. 22.2.2023 – 6 Sa 131/22

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