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Inhalt

Hessisches LAG 16 TaBV 93/24 Beschluss vom 09.12.2024
Arbeitsrecht

Leitsatz:

Die Filialdirektorin einer Einzelhandelsfiliale ist auch dann, wenn sie in Bezug auf sämtliche in der Filiale beschäftigten Mitarbeiter selbstständig zur Einstellung und Entlassung befugt ist, keine leitende Angestellte.

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13. Mai 2024 – 12 BV 112/23 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei der Beteiligten zu 3 um eine leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG handelt.

Die Beteiligte zu 2 (Arbeitgeber) ist ein Einzelhandelsunternehmen, das etwa 3500 Mitarbeiter in ca. 70 Filialen in Deutschland beschäftigt. Antragsteller ist der für die Filiale A in B gebildete Betriebsrat. Beteiligte zu 3 (erstinstanzlich: Beteiligte zu 4) ist die Filialdirektorin dieser Filiale.

Der Arbeitgeber hat behauptet, in seinem Unternehmen gelte eine Organisationsstruktur, nach der alle wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen für eine Filiale durch die zur selbstständigen Einstellung und Entlassung befugten und unmittelbar der Geschäftsführung unterstellten Filialleiter getroffen würden. Die HR-Abteilung der Zentrale in C übe lediglich unterstützende, beratende und administrative Tätigkeiten aus. Die Befugnisse der Filialleiter und ihrer Stellvertreter seien im Innenverhältnis nicht beschränkt. Die Beteiligte zu 3 und die erstinstanzlich beteiligten weiteren zwei, vom Arbeitgeber als leitende Angestellte angesehenen Mitarbeiterinnen der Filiale seien 91 von 97 Mitarbeitern dieser Filiale vorgesetzt und weisungsbefugt. Ihnen stehe damit bezogen auf diese Filiale, die einen eigenständigen Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 BetrVG bilde, die Personalverantwortung für eine erhebliche Anzahl von Mitarbeitern zu. Die Beteiligte zu 3 nehme diese eigenverantwortlich wahr.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 251-252R der Akte) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat -soweit im Beschwerdeverfahren von Interesse- dem Antrag stattgegeben und festgestellt, dass die Beteiligte zu 3 keine leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG ist. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 252R- 254R der Akte) verwiesen.

Dieser Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Arbeitgebers am 02.07.2024 zugestellt, der dagegen mit einem am 18.07.2024 eingegangenen Anwaltsschriftsatz Beschwerde eingelegt und diese am 20.08.2024 begründet hat.

Der Arbeitgeber rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass es sich bei der Filiale in der A um einen eigenständigen Betrieb im Sinne von § 1 BetrVG und nicht lediglich um einen Betriebsteil gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG handele. Er behauptet, nachdem die erstinstanzlich beteiligten Mitarbeiterinnen D und E in der Filiale nicht mehr tätig seien, treffe die Beteiligte zu 3 sämtliche Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten und übe die Arbeitgeberfunktion als Filialdirektorin selbstständig aus. So entscheide sie selbstständig über die Einstellung und Entlassung der Mitarbeiter dieser Filiale und nehme die Einsatzplanung und Zuteilung der Schichten an die jeweiligen Mitarbeiter selbstständig vor. Sie genehmige auch Urlaubsanträge, ordne Überstunden an, nehme Krankmeldungen entgegen und entscheide über den Ausspruch von Abmahnungen. Die Zentrale in C sei für die Arbeitnehmer der Filiale A organisatorisch nur insoweit verantwortlich, wie dies aus administrativen Gründen, z.B. aufgrund der zentralen Verwaltung von Personalakten, erforderlich sei. Unerheblich sei, dass die Filialen hinsichtlich Fragen der Produktplanung, Preisreduzierungen oder Gestaltung der Räumlichkeiten einheitlichen Vorgaben unterliegen. Entscheidend sei allein, dass die Beteiligte zu 3 hinsichtlich aller wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten unabhängig von der Zentrale selbstständig die Arbeitgeberfunktionen wahrnehme. Ausreichend sei, dass sich die der Beteiligten zu 3 übertragene Personalverantwortung auf 86 Filialmitarbeiter und damit auf rund 95 % der Gesamtbelegschaft der Filiale erstrecke. Die quantitative Erheblichkeit ihrer Personalbefugnis liege damit vor. Eine in qualitativer Hinsicht bedeutsame Personalbefugnis wäre nur dann zu fordern, sofern die Eigenschaft als leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BetrVG nicht bereits in quantitativer Hinsicht erfüllt wäre. Dies habe das Arbeitsgericht verkannt. Die Beteiligte zu 3 mache auch in erheblichem Umfang von der ihr übertragenen Einstellungs- und Entlassungskompetenz eigenständig Gebrauch.

Mit Schriftsatz vom 22.11.2024 (Bl. 255 ff. der Akte) vertieft der Arbeitgeber sein bisheriges Vorbringen und rügt den Vortrag des Betriebsrats als unsubstantiiert. Im Übrigen habe der Personalreferent, Herr F, nur deshalb am 19.08.2024 eine Betriebsratsanhörung zur Einstellung der Mitarbeiterin G unterzeichnet, weil sich die Beteiligte zu 3 bis einschließlich 25.08.2024 in ihrem 2-wöchigen Erholungsurlaub befunden habe. Soweit der Betriebsrat Betriebsratsanhörungen eingereicht habe, die der Personalreferent F am 13., 27. September sowie 07.10.2024 unterzeichnete, belege dies nicht, dass er auch die Einstellungsentscheidung bezüglich dieser Mitarbeiterinnen getroffen habe. Tatsächlich sei es vielmehr so gewesen, dass Herr F an den vorgenannten Tagen wegen des ungewöhnlich hohen Arbeitsaufkommens der Beteiligten zu 3 die Betriebsratsanhörung unterzeichnet habe. Hierbei habe es sich um eine rein administrative Unterstützung gehandelt. Zu keinem Zeitpunkt habe er inhaltlich eigenständig personelle Entscheidungen getroffen. Dies anzunehmen sei auch praxisfern, da er in der 600 km entfernten Zentrale im HR-Bereich tätig ist. Der Arbeitgeber benennt sodann namentlich und mit Eintrittsdatum die Mitarbeiter, über deren Eintritt die Beteiligte zu 3 eigenverantwortlich entschieden hat, über befristete Verlängerungen und Entfristung von Arbeitsverträgen, Kündigungen, Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge sowie Erhöhungen bzw. Reduzierungen der wöchentlichen Arbeitszeit (Seite 5 ff. des Schriftsatzes vom 22.11.2024, Bl. 259 ff. der Akte).

Im Anhörungstermin vor dem Landesarbeitsgericht hat die Beteiligte zu 3 erklärt, inzwischen habe sich eine Änderung der Organisation ergeben, nach der sie auch die Entscheidung über Einstellungen und Entlassungen in Bezug auf die Manager (Abteilungsleitung und stellvertretende Abteilungsleitung, stellvertretende Filialleitung) der Filiale A treffe. Den Inhalt der Managerpositionen beschreibt die Beteiligte zu 3 wie folgt: Der Abteilungsleiter Store Operation kümmert sich darum, dass im System bestätigt ist, dass die Ware im Lkw angekommen ist. Sodann geht es darum, dass die Ware auf der Fläche „gelesen“ wird. Es geht darum, dass das elektronische Gerät erkennt, dass die Ware im Laden ist sowie darum, dass sie an der richtigen Stelle im Laden liegt oder ausgehängt ist, d.h. um die Warenpräsentation. Der Abteilungsleiter Produkt überprüft, ob die neue Ware richtig im Laden präsentiert wird. Es geht darum, dass die Richtlinien, die aus Spanien kommen, beachtet werden. Bestsellersachen müssen an den guten Plätzen platziert werden und zwar in der richtigen Menge. Der Abteilungsleiter Customer Experience (CE), derzeit ist die Stelle unbesetzt, kümmert sich um die Kundenbewertungen, d. h. die Kundenzufriedenheit. Die Stelle der Filialleitung ist derzeit nicht besetzt.

Der Arbeitgeber beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13.05.2024 -12 BV 112/23- teilweise abzuändern und den Antrag insgesamt zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass die Beteiligte zu 3 keine leitende Angestellte sei. Es habe rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass die von der Arbeitgeberseite behauptete Einstellungs- und Entlassungsbefugnis der Beteiligten zu 3 nicht ausreiche, um den Status einer leitenden Angestellten zu begründen. Die Anzahl der von der Personalkompetenz erfassten Arbeitnehmer der Filiale in Relation zur Gesamtbelegschaft des Unternehmens sei mit 2,6 % (91 von 3500 Mitarbeitern) zu gering. Ferner beziehe sich die Personalkompetenz weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht auf einen bedeutsamen Personenkreis und werde zudem weiter dadurch eingeschränkt, dass neben der Beteiligten zu 3 weitere Personen gleichrangig mit derselben Kompetenz ausgestattet gewesen seien. Darüber hinaus habe der Arbeitgeber selbst in der Beschwerdebegründung vorgetragen, dass die Beteiligte zu 3 nicht die Befugnis zur Einstellung von Abteilungsleitern oder der stellvertretenden Filiale Leitung habe. Es bleibe bestritten, dass sie selbstständig über die Einstellung und Entlassung der Mitarbeiter der Filiale A entscheide und die Einsatzplanung sowie Zuteilung der Schichten der jeweiligen Mitarbeiter selbstständig vornehme. Sie übe nicht die Verantwortung über sämtliche anderen personellen und sozialen Angelegenheiten unabhängig von der Zentrale aus. Bezüglich der stellvertretenden Filialleiter habe das LAG Köln (20.06.2018 - 11 TaBV 77/17) entschieden, dass diese nur in unbedeutendem Umfang als Repräsentanten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat auftreten und deshalb nicht als leitende Angestellte angesehen werden könnten. Auch das LAG Hamm (12.6.2015 - 13 TaBV 78/14) habe erkannt, dass ein stellvertretender Geschäftsleiter in einem Fachzentrum mit etwa 80 Mitarbeitern kein leitender Angestellter sei, da eine selbstständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis, also deren Umsetzung nur von dessen Willensentschluss abhängig sei, praktisch nicht vorhanden sei.

Mit Schriftsatz vom 21.11.2021 hat der Betriebsrat das tatsächliche Vorbringen des Arbeitgebers im Schriftsatz vom 22.11.2024 mit Nichtwissen bestritten.

Im Anhörungstermin vor dem Landesarbeitsgericht hat der Betriebsrat erklärt, Betriebsvereinbarungen würden durch den Geschäftsführer unterzeichnet. Die Titel, z.B. Abteilungsleiter Operation oder Abteilungsleiter Kinderabteilung, Abteilungsleiter Operation Assistant würden vom Arbeitgeber vergeben, ohne dass damit besondere Kompetenzen verbunden seien, etwa in Bezug auf Weisungsrechte oder dass auch nur eine besondere Qualifikation hierfür verlangt würde. Die Manager hätten keine eigenen Entscheidungsspielräume.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsprotokolle Bezug genommen.

II.

  1. Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 87 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, § 594 ZPO.
  2. Die Beschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Beteiligte zu 3 keine leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG ist. Die Beschwerdekammer schließt sich der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts an und nimmt auf diese Bezug. Das Vorbringen des Arbeitgebers in der Beschwerdeinstanz führt zu keiner abweichenden Beurteilung.

Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist. Diese Zuordnungskriterien beruhen auf der Wertung des Gesetzgebers, nach der eine Einstellungs- und Entlassungsbefugnis die leitende Funktion eines Angestellten im Betrieb oder im Unternehmen in besonderer Weise zum Ausdruck bringt. Einstellungen und Entlassungen sind Instrumente der Personalwirtschaft und damit unternehmerische Tätigkeit. Wird diese Befugnis einem Angestellten übertragen, so ist er Repräsentant des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat (BAG 25. März 2009 - 7 ABR 2/08 - Rn. 25; 10. Oktober 2007 - 7 ABR 61/06 - Rn. 12 mwN). Die unternehmerische Aufgabenstellung kann sich aus der Personalverantwortung für den Bereich des gesamten Unternehmens oder als unternehmerische Teilaufgabe auch aus der Personalverantwortung für einen Betrieb oder eine Betriebsabteilung ergeben (BAG 25. März 2009 - 7 ABR 2/08 - aaO). Es genügt aber nicht jede Einstellungs- und Entlassungsbefugnis für die Herausnahme aus dem persönlichen Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG liegen nicht vor bei Arbeitnehmern, deren Personalkompetenzen nur von untergeordneter Bedeutung für den Betrieb und damit auch für das Unternehmen sind (BAG 25. März 2009 - 7 ABR 2/08 - aaO; 10. Oktober 2007 - 7 ABR 61/06 - Rn. 14). Die unternehmerische Bedeutung der Personalverantwortung kann aus der Anzahl der Arbeitnehmer folgen, auf die sich die selbständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis bezieht (BAG 25. März 2009 - 7 ABR 2/08 - aaO; 11. März 1982 - 6 AZR 136/79 - zu B 1 der Gründe). Umfasst sie nur eine geringe Anzahl von Arbeitnehmern, liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG regelmäßig nicht vor. Der Angestellte tritt in diesem Fall nur in einem unbedeutenden Umfang als Repräsentant des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat auf. Die für die Stellung eines leitenden Angestellten erforderliche unternehmerische Personalverantwortung liegt dann nur vor, wenn die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis gerade für einen für das Unternehmen qualitativ bedeutsamen Personenkreis besteht (BAG 10. Oktober 2007 - 7 ABR 61/06 - Rn. 15; vgl. zu § 14 Abs. 2 KSchG: 27. September 2001 - 2 AZR 176/00 - zu B II 3 c cc der Gründe). Die in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG geforderte Personalkompetenz muss sich in einem solchen Fall deshalb auf Arbeitnehmer erstrecken, die entweder hochqualifizierte Tätigkeiten mit entsprechenden Entscheidungsspielräumen ausüben oder einen für das Unternehmen herausgehobenen Geschäftsbereich betreuen (BAG 4. Mai 2022 – 7 ABR 14/21 –  Rn. 28; 25. März 2009 - 7 ABR 2/08 - aaO; 10. Oktober 2007 - 7 ABR 61/06 - aaO; 16. April 2002 - 1 ABR 23/01 - zu B IV 3 b der Gründe, BAGE 101, 53).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Beteiligte zu 3, auch dann, wenn sie in Bezug auf sämtliche in der Filiale A beschäftigten Mitarbeiter selbstständig zur Einstellung und Entlassung befugt ist, keine leitende Angestellte. Zum einen bezieht sich diese bezogen auf das gesamte Unternehmen lediglich auf einen geringen Teil der Belegschaft (91 von 3500 Mitarbeitern). Zum anderen erstreckt sich die Personalkompetenz nicht auf Arbeitnehmer, die entweder hochqualifizierte Tätigkeiten mit entsprechenden Entscheidungsspielräumen ausüben oder einen für das Unternehmen herausgehobenen Geschäftsbereich betreuen. So kümmert sich der Abteilungsleiter Store Operation darum, dass die angelieferte Ware im System erfasst und an der richtigen Stelle im Laden präsentiert wird. Es handelt sich hierbei also im Wesentlichen um eine Wareneingangskontrolle bzw. Sicherstellung der ordnungsgemäßen Warenpräsentation. Der Abteilungsleiter Produkt überprüft, ob die neue Ware im Laden richtig präsentiert wird und stellt die Einhaltung der Richtlinien, die aus Spanien kommen, sicher. Der Abteilungsleiter Customer Experience befasst sich mit der Kundenzufriedenheit in Bezug auf die Präsentation der Ware, dem Ablauf in den Umkleidekabinen der Erreichbarkeit des Verkaufspersonals etc. Dies zeigt, dass es jeweils darum geht, die Einhaltung konkreter Anweisungen der Zentrale sicherzustellen. Ob bzw. welche qualitativen Anforderungen an diese Personen zu stellen sind und inwiefern sie sich aus dem sonstigen Verkaufspersonal fachlich herausheben, ist nicht ersichtlich noch wird es vom Arbeitgeber im Einzelnen vorgetragen. Insgesamt handelt es sich bei der Position der Filialdirektorin der Beteiligten zu 3 zwar um eine Vorgesetztenstellung gegenüber den in dieser Filiale beschäftigten Mitarbeitern. Es fehlt jedoch am erforderlichen Einfluss auf die Unternehmensführung.

Zwar hat das BAG offengelassen, ob eine hinreichende unternehmerische Bedeutung der Befugnis zur selbstständigen Einstellung und Entlassung immer anzunehmen ist, wenn sie sämtliche Arbeitnehmer eines Betriebs im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG umfasst (BAG 04.05.2022 -7 ABR 14/21- Rn. 43 S. 1).

Die Kammer geht davon aus, dass es sich bei der Filiale A in B um einen Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 BetrVG handelt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Betrieb iSd. BetrVG eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den vom ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden (BAG 7. Mai 2008 - 7 ABR 15/07 - Rn. 19 mwN). Ein Betriebsteil ist dagegen auf den Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert, ihm gegenüber aber organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt. Für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb iSv. § 1 BetrVG. Für das Vorliegen eines Betriebsteils iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genügt ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (BAG 7. Mai 2008 - 7 ABR 15/07 - Rn. 19 mwN). Unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BetrVG gilt ein Betriebsteil als eigenständiger Betrieb. Liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BetrVG nicht vor, gehört der Betriebsteil betriebsverfassungsrechtlich zum Hauptbetrieb (BAG 17. Mai 2017 -7 ABR 21/15- Rn. 17).

Danach ist hier von einem selbstständigen Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG auszugehen, weil dieser in Person der Beteiligten zu 3 als Filialdirektorin über eine in der organisatorischen Einheit (Filiale A in B) ausgeübte Leitungsmacht in Bezug auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten verfügt.

Gleichwohl kann auch in diesem Fall nicht auf das Kriterium der hinreichenden unternehmerischen Gewichtigkeit verzichtet werden, was darin zum Ausdruck kommt, dass sich die personellen Kompetenzen auch auf Arbeitnehmer erstrecken, die entweder hochqualifizierte Tätigkeiten mit entsprechenden Entscheidungsspielräumen ausüben oder einen für das Unternehmen herausgehobenen Geschäftsbereich betreuen. Beides trifft auf die der Beteiligten zu 3 nachgeordneten Managerpositionen wie ausgeführt nicht zu. Auch Besgen (in BeckOK/ArbR, Stand 1.9.2024, BetrVG, § 5 Rn. 47) verlangt, dass die Befugnis zur Einstellung und Entlassung von hinreichender unternehmerischer Relevanz ist, was jeweils im Einzelfall anhand der Anzahl der von der Personalbefugnis umfassten Arbeitnehmer und dem Gewicht der Stellung dieser Arbeitnehmer für das Unternehmen festzustellen ist. Unterschiedliche Anforderungen zwischen einem Betrieb nach § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG und einem Betriebsteil nach § 4 Abs. 1 BetrVG stellt Besgen gerade nicht auf. Es erschließt sich auch nicht, aus welchem Grund die Anforderungen an den Begriff des leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG für einen Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG unterschiedlich (hier: geringer) gegenüber einem Betriebsteil nach § 4 Abs. 1 BetrVG sein sollten. Im Übrigen ist es hier so, dass wesentliche unternehmerische Steuerungstätigkeiten für die Filiale A von der Zentrale in C oder gar vom Konzernsitz aus Spanien vorgenommen werden, die zwar nicht die Steuerung des (örtlichen) Personaleinsatzes und die Wahrnehmung der mitbestimmungspflichtigen Entscheidungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz betreffen, aber für den wirtschaftlichen Erfolg der Filiale entscheidend sind. Dies betrifft nicht nur Vorgaben hinsichtlich der zu verkaufenden Ware, sondern sogar deren Platzierung im Geschäft bis hin zu auf den Umsatz bezogenen Personalkennziffern. Hieraus folgt, dass auch die einen selbstständigen Betrieb nach § 1 Abs. 1 BetrVG darstellende Filiale nicht völlig getrennt vom Unternehmen als solchem beurteilt werden kann. So gesehen ist auch eine große und umsatzstarke Filiale, in der annähernd 100 Angestellte mit Tätigkeiten der Kontrolle des Wareneingangs, der Präsentation von Ware und der Beratung von Kunden bis hin zum Kassieren des Verkaufspreises beschäftigt werden, letztlich nur eine Verkaufsstelle nach strikt vorgegebenen Konzept. Eigene und erhebliche Entscheidungsspielräume geprägt von weitgehender Weisungsfreiheit und Selbstbestimmung stehen den Mitarbeitern nicht zu. Dies gilt letztlich auch für die Beteiligte zu 3 als Filialdirektorin, selbst wenn sie zur Einstellung und Entlassung der ihr nachgeordneten Mitarbeiter berechtigt ist.

III.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich aus § 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

 

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