(Kiel) Mit dem Begriff des Verbraucherbauvertrages und dessen Umfang hat sich das Kammergericht Berlin auseinandergesetzt.
Darauf verweist die Frankfurter Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht Helene – Monika Filiz, Präsidentin des VBMI - VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf das Urteil des Kammergerichts (KG) Berlin vom 16.11.2021 – 21 U 41/21.
Der Verbraucherbauvertrag ist in § 650 i Abs. 1 BGB durch den Gesetzgeber definiert worden. Demnach handelt es sich bei Verbraucherbauverträgen um Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird. Dem Gesetzeswortlaut entsprechend bestehen Unsicherheiten hinsichtlich des Umfangs von Baumaßnahmen, der erforderlich ist, um eine „erhebliche Umbaumaßnahme“ im Sinne des § 650 i Abs. 1 BGB anzunehmen.
Der Entscheidung des KG v. 16.11.2021 folgend setzt ein Verbraucherbauvertrag erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude (§ 650 i Abs. 1 BGB) voraus. Das ist dann der Fall, wenn das Auftragsvolumen dem eines Vertrags über die Errichtung eines Neubaus gleichkommt. Darüber hinaus ist grundsätzlich erforderlich, dass der Verbraucher mit sämtlichen der von ihm geplanten Baumaßnahmen nur einen einzigen Unternehmer beauftragt.
Die Parteien des Rechtsstreites stritten im Wesentlichen darum, ob es sich bei den beauftragten Arbeiten des Klägers (Eigentümer) gegenüber dem beklagten Schreinermeister, die das Abschleifen einer Treppe in dem Haus und diverse Sanierungsarbeiten beinhalteten, um einen Verbraucherbauvertrag gem. §§ 312 Abs. 1, 310 Abs. 3 BGB gehandelt und der Kläger als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB diesen Vertrag abgeschlossen hatte.
Dies hat das KG bejaht und ausgeführt, dass der Kläger zwar das Haus, in dem der Beklagte die Sanierungsarbeiten ausführen sollte, einer Vermietung zugeführt hatte. Da es sich aber um ein Einfamilienhaus gehandelt habe, hat diese Vermietung nicht den Charakter einer gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit, sondern ist als bloße Vermögensverwaltung zu bewerten (OLG Rostock, Urt. v. 26.09.2018, 1 U 130/16; OLG Dresden, Urt. v. 10.06.2015, 5 U 1847/14; KG, Urt. v. 11.12.2014, 10 U 62/14).
Der Bauvertrag über die streitgegenständlichen Sanierungsarbeiten war unstreitig mündlich außerhalb von Geschäftsräumen des Auftragnehmers i.S.d. § 312 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB geschlossen worden. Dabei sah es das KG als unerheblich an, dass dieses Treffen auf die Initiative des Klägers zurückging und dass die Parteien zuvor bereits mehrere Mails ausgetauscht hatten. Ob ein Außer-Geschäftsraum-Vertrag im Sinne von § 312 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB möglicherweise dann nicht gegeben ist, wenn die Parteien vor dem Vertragsschluss schon einmal am selben Ort zu Vertragsgesprächen zusammengetroffen waren, konnte vorliegend offenbleiben, da die Beklagte offenbar die Baustelle ohne den Kläger besichtigt hatte.
Es handelt sich laut den Feststellungen des Kammergerichts nicht um einen Verbraucherbauvertrag nach §§ 312 Abs. 2 Nr. 3, 650 i BGB.
Das bei einem Außer-Geschäftsraum-Vertrag gem. §§ 312 b, 312 g BGB bestehende Widerrufsrecht des Verbrauchers ist nicht gemäß § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB ausgeschlossen. Dazu müsste es sich bei dem Vertrag zwischen den Parteien um einen Verbraucherbauvertrag im Sinne von § 650 i Abs. 1 BGB handeln.
Die Frage, wann Umbaumaßnahmen im Bestand als „erheblich“ anzusehen sind, eröffnet einen Auslegungsspielraum. Es hat – so das entscheidende Gericht - eine enge Auslegung des Begriffs „Verbraucherbauvertrag“ zu erfolgen.
Für die Rechtslage vor dem 01.01.2018, als § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB bereits dieselbe Regelung nur ohne den Verweis auf den seinerzeit noch nicht geschaffenen § 650 i BGB enthielt, hat der BGH dies ausdrücklich bestätigt (BGH, Urt. v. 30.08.2018, VII ZR 243/17, Rn. 16).
Für die Rechtslage des BGB nach Inkrafttreten des BauVertrRRG hat dies weiter zu gelten. Zwar führt eine enge Auslegung des Begriffs „Verbraucherbauvertrag“ dazu, dass auch der hieran seit dem 01.01.2018 anknüpfende und in §§ 650 i ff. sowie § 650 f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB geregelte Verbraucherschutz in seinem Anwendungsbereich eingeschränkt wird. Dies ist isoliert betrachtet dem Zweck von Maßnahmen des Verbraucherschutzes zuwiderlaufend.
Der Begriff des Verbraucherbauvertrages ist aber auch nach dem Inkrafttreten des BauVertrRRG nicht nur Positivkriterium für den Verbraucherschutz nach §§ 650 i ff. BGB, sondern zugleich Negativ- oder Ausschlusskriterium für den Verbraucherschutz aus §§ 312 ff. BGB. Eine enge Auslegung des Begriffs „Verbraucherbauvertrag“ führt deshalb dazu, dass der Anwendungsbereich des Verbraucherschutzes aus §§ 312 ff. BGB vergrößert wird. Ist der Begriff des Verbraucherbauvertrags somit eng auszulegen, können Umbaumaßnahmen in einem Bestandsgebäude folglich erst dann als „erheblich“ angesehen werden, wenn sie in ihrem Umfang einem Neubau gleichkommen und somit mehrere Gewerke umfassen. Auf jeden Fall muss der Verbraucher alle Gewerke, die er im Rahmen seines Vorhabens beauftragten will, an einen Unternehmer übertragen, denn im gleichgestellten Fall eines Vertrags über den Bau eines neuen Gebäudes wäre es ebenso („Bauen aus einer Hand“, vgl. BGH, Urt. v. 30.08.2018, VII ZR 243,/17; OLG Köln, Urt. v. 23.03.2017, 16 U 153/15; Retzlaff in: Palandt/BGB, 80. Aufl. 2021, § 650 i BGB, Rn. 1 und 4; Langjahr in: Leupertz/Preussner/Sienz, Bauvertragsrecht, 2. Aufl. 2021, § 650 i BGB, Rn. 15 f.; a.A. OLG Hamm, Urt. v. 27.04.2021, 24 U 198/20).
In dem vorliegenden Fall waren die Voraussetzungen eines Verbraucherbauvertrages nicht erfüllt, der Widerruf rechtzeitig erkärt und somit die erhaltenen Zahlungen an den Kläger zurückzuerstatten.
VBMI, Kiel, den 29.08.2022
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